Raum für Kultur, Produktivität und Genuss

Heutiger Interview-Gast ist Martin Lenz vom Verein WatWerk e. V., Betreiber des Wiesmann’s an der Hochstraße in Wattenscheid.

Du bist schon lange in Wattenscheid aktiv. Mit dem Verein WatWerk e. V. habt ihr die Gaststätte „Wiesmann’s“ als „Raum für Kultur, Produktivität und Genuss“ entwickelt. Kannst du erzählen, wie es dazu gekommen ist und was eure Ziele sind?

Martin: Drei Wege führten die Gründungsmitglieder von WatWerk zusammen:

2019 entstand die Initiative MITTENDRIN, die sich für ein lebendiges, vielfältiges Wattenscheid einsetzte – mit dem Ziel, Begegnungsräume zu schaffen und ungenutzte Orte zu beleben.

Zeitgleich wurde das Reallabor Watcraft im Rahmen des Forschungsprojekts Urbane Produktion ins Leben gerufen. Da die Initiative auf der Suche nach einem festen Raum für Treffen und kleine Veranstaltungen war, das Forschungsprojekt dies mit dem Reallabor zur Verfügung stellen konnte und seinerseits sehr an einem Zugang zur Wattenscheider Bevölkerung interessiert war (was wiederum die Initiative bieten konnte) entwickelte sich eine enge Kooperation.

Ein drittes verbindendes Element war eine Gruppe, die sich im Reallabor gebildet hatte und gerne eigene Biersorten entwickeln wollte – jedoch fehlte eine Ausschanklizenz.

Als Ende 2019 das traditionsreiche Haus Wiesmann leer stand, ergriff man die Chance: Die Akteure gründeten Anfang 2020 den gemeinnützigen WatWerk e. V., um das Wiesmann’s als offenen, multifunktionalen Ort für den Stadtteil zu betreiben.

Zentrale Ziele des Vereins sind die Einrichtung und Etablierung multifunktionaler Möglichkeitsräume, die Stärkung der sozialen, kulturellen, ökologischen und wirtschaftlichen Entwicklung Wattenscheids, die gemeinschaftsfördernde und kulturstiftende Stärkung lokaler Ressourcen und Potentiale und die Mobilisierung ansässiger Menschen, öffentlicher Institutionen und Unternehmen zur gemeinschaftlichen und nachhaltigen Entwicklung des Stadtteils.

Der Verein WatWerk e. V. will dazu beitragen, dass in Wattenscheid mehr Beteiligung und mehr Selbstwirksamkeit möglich wird. Warum steht dieses Thema bei euch im Fokus? Was waren eure Aktionen und was plant ihr für die Zukunft?

Martin: Wir haben einen „Raum für Produktivität, Kultur und Genuss“ etabliert und in Wattenscheid einen Ort geschaffen, an dem Menschen sich austauschen, Projekte entwickeln, Ideen in die Tat umsetzen und die kulturelle, zukunftsfähige und nachhaltige Entwicklung des Stadtteils aus der Gesellschaft heraus vorantreiben können. Wir möchten das „Wiesmann’s“ und zukünftig auch „Raum2“ noch stärker in den Blick der Öffentlichkeit, aber auch der kulturellen Szene in Wattenscheid und Bochum bringen und die Räume für Kreativität, Kunst und Kultur, nachhaltige und gemeinwohlorientierte Projekte und Stadtteilaktivitäten zur Verfügung stellen. Dafür entwickeln wir seit Anfang 2020 konkrete Austausch-, Mitmach- und Kulturformate mit unseren Partner:innen. Die Potentiale und Nutzungsmöglichkeiten des Ortes sind vielfältig und stehen Bürger:innen, Künstler:innen, Kreativen und anderen Akteur:innen gleichsam zur Verfügung. Wir sind der Überzeugung, dass die Fortführung der Impulse, entstandenen Partnerschaften und realisierten Ideen gerade jetzt extrem wichtig für das Wiesmann’s als soziokulturellen Ort und für Wattenscheid als Stadtteil sind, um die verbindende Funktion und Stärkung der sozialen und kulturellen Teilhabe aufrechtzuerhalten und weiter zu fördern. Daneben möchten wir die Räume nutzen, um Kulturschaffenden, denen häufig Auftrittsmöglichkeiten und Orte fehlen, Räume anzubieten, in dem sie arbeiten/vorbereiten/präsentieren sowie Veranstaltungen produzieren und vorstellen können.

Im März, April und Mai habt ihr im Wiesmann’s einen Politischen Salon zu wichtigen Themen der Stadtentwicklung angeboten. Wie ist der Politische Salon angenommen worden? Was waren die wichtigsten Ergebnisse?

Martin: Das Format „Politischer Salon“ haben wir dieses Jahr zum ersten Mal durchgeführt. Dementsprechend gespannt waren wir selber, ob es uns gelingt Bürger*innen und aktive Kommunalpolitiker*innen in einen Austausch auf Augenhöhe zu bringen. Wir wollten keine Podiumsdiskussion, keine langatmigen Vorträge und keine vorbereiteten Aussagen nach dem Motto „Wir erklären mal, wie wir das zukünftig machen wollen“. Ziel war es nach einem externen Input, an den Tischen mit den anwesenden Lokalpoliker*innen ins Gespräch zu kommen und zum jeweils vorgegebenen Thema auszutauschen, Wünsche/Vorstellungen und Anregungen zu besprechen. Das Vorbereitungsteam ist im Nachgang der ersten drei Veranstaltung zu dem Schluss gekommen, dass das Format funktioniert hat und von beiden Seiten sehr gut angenommen worden ist. Wir werden das Format auf jeden Fall fortführen.

Als Ergebnis wurde aus den Gesprächen währen der drei Politischen Salons zu jedem Thema eine Kernaussage mit konkreten Anliegen und Vorschlägen formuliert:
Mobilität und öffentlicher Raum: Zentrales Anliegen ist eine lebenswertere Stadt mit reduzierter Autonutzung. Der Fokus sollte auf Verkehrsberuhigung, alternative Mobilitätsformen und Flächengerechtigkeit liegen.
Soziales Miteinander in Freiräumen: Zentrales Anliegen ist, Freiräume für soziale Begegnungen ohne Konsumzwang, insbesondere in den Stadtteilen, zu schaffen. Der Fokus sollte darauf liegen, Räume und Flächen für Freiräume zu schaffen, (bürokratische) Hemmnisse zur Einrichtung von Freiräumen abzubauen und bürgerschaftliche Initiativen zu unterstützen.
Klimagerechter Stadtumbau: Zentrales Anliegen ist eine nachhaltige Stadtentwicklung unter Beteiligung der Bürger und Bürgerinnen. Der Fokus sollte auf Hitzeschutz, Begrünung und Wasserwiederverwendung liegen.

Am 6. August wollt ihr die Ergebnisse des Politischen Salons den OB-KandidatInnen in Bochum im Rahmen einer Podiumsdiskussion präsentieren. Was erwartet ihr von dieser Veranstaltung?

Martin: Erfreulicherweise haben sieben Kandidat*innen für den 06. 8. zugesagt. Das verlangt einerseits von uns eine logistische und zeittechnische Meisterleistung anderseits freuen wir uns sehr über die rege Teilnahme. Wir gehen insgesamt von einer hohen Teilnehmendenzahl aus und überlegen gerade, ob wir unseren Außenbereich mit einbeziehen.

Inhaltlich erwarten wir von den Kandidat*innen, dass sie ganz konkret auf zuvor genannten Kernaussagen eingehen und zwar unter folgenden Fragestellungen:
1. Was sind aus Ihrer Sicht die aktuellen Erfordernisse für die Stadt Bochum?
2. Was ist realistisch, was kann in den nächsten 5 Jahren (Legislaturperiode) umgesetzt werden?

Wir erwarten natürlich grundsätzlich, dass die Kandidat*innen und die Lokalpolitik aus der Veranstaltung mitnehmen, wie wichtig echte Bürgerbeteiligung für eine nachhaltige Stadtentwicklung ist. Nur wer sich beteiligt und mitgenommen fühlt, wird auch Entscheidungen akzeptieren und mittragen, die nicht hundertprozentig seinen/ihren Interessen entspricht.

WatWerk e. V. setzt sich „für eine lebendige, sozial gerechte und vielfältige Stadtkultur ein“. Das Initiativenbündnis ‚Bochum gemeinsam‘ setzt in seinen Essentials die gleichen Schwerpunkte und betont die Bedeutung von Partizipation für die Demokratie.

Wie steht ihr zu diesem Bündnis und ergeben sich da für euch Perspektiven der Zusammenarbeit?

Martin: In der Tat verfolgen wir ähnliche Ziele wie sie im Initiativenbündnis „Bochum gemeinsam“ verfolgt werden. Wobei unser großer Schwerpunkt sicherlich in der Entwicklung von Räumen im Bereich Kultur, kreatives und urbane Produktion in Wattenscheid liegt. Dazu gesellen sich natürlich immer weitere Subthemen wie Nachhaltigkeit, Vielfalt, Stadtstruktur, Mitgestalten etc.. Insgesamt sehen wir das Bündnis natürlich positiv. Bezüglich einer möglichen Zusammenarbeit spielt sicherlich für uns der zeitliche Faktor eine große Rolle. Schließlich sind die meisten Aktiven bereits vielfach vernetzt, in anderen Vereinen eingebunden oder ganz konkret eigenständig kulturell aktiv.

Wie soll es bei euch nach den Kommunalwahlen weitergehen?

Martin: Wir planen immer bereits ein Jahr im Voraus, d.h. unser Kulturprogramm ist für diesen Zeitraum fix und wird lediglich spontan nach Bedarf ergänzt.
Neben unseren „normalen“ Freitagsangeboten haben wir zwei außergewöhnliche Projekte vorbereitet.
1. Wir werden einen weiteren Ermöglichungsraum zu eröffnen. Ab dem 01. 8. 25 betreiben wir in der Wattenscheider Fußgängerzone „Raum2“. Raum2 ist ein offener Raum für kreative Angebote, Ausstellungen und kulturellen Austausch – mitten in der Wattenscheider Innenstadt.
Hier sollen Ideen entstehen, werden Kunstwerke sichtbar gemacht und neue Formen des Miteinanders ausprobiert. Ob Malerei, Fotografie, Performance, Lesung, Musik oder Workshop – Raum2 soll Raum für kreative Vielfalt und soziale Begegnung bieten.
Der Raum kann nach Absprache genutzt werden – sowohl für eigene künstlerische Projekte als auch für offene Angebote mit und für die Nachbarschaft.
Außerdem werden wir im Oktober ein Europawochenende unter dem Motto durchführen: Erleben, Entdecken. Mit den Sinnen und mit dem Rad – ein Kontinent voller Möglichkeiten. Europa wächst zusammen durch uns alle. Weitere Infos dazu finden sich bereits auf unserer Homepagewww.wiesmanns-watwerk.de.